Ostfriese mit afrikanischem Herz

Berühmter Ostfriese durch youtube

Spezial. Neues von „Luv & Lü“, dem Blog über Menschen aus dem Wangerland:

Dieser Kerl ist eine Wucht; eine Erscheinung, die einen umhaut: ein schwarzes Muskelpaket mit Zahnpasta-Grinsen. Meist fährt Keno Veith auf einem hochmotorigen Trecker über die friesischen Felder, denn er arbeitet als landwirtschaftlicher Helfer in einem Lohnbetrieb in Zetel. Seit ein paar Monaten macht er allerdings auch Karriere als Youtube-Star. Ein Video hat den Ostfriesen mit afrikanischer Mutter und ostfriesischem Vater über Nacht berühmt gemacht. Weil er wunderbar Platt schnackt. 

Als wir Keno an seinem Arbeitsplatz beim Lohnunternehmen Carsten Meyer treffen, hören wir schon von weitem dieses markante, gackernde Lachen. Das kann nur Keno sein und das ist er auch: ein bulliger Typ mit Irokesenschnitt, der ein bisschen aussieht wie Quinton Jackson aus dem Film „The A-Team“. Aber der 37-Jährige ist natürlich kein ehemaliger Elite-Soldat, sondern ein ganz normaler Arbeiter mit einem großen Faible für Traktoren und Landwirtschaft. Er selbst ist auf dem Hof seiner Großeltern aufgewachsen, Landwirtschaft ist ein wichtiger Teil in sein Leben. „Ich bin mit acht Jahren das erste Mal Trecker gefahren und mit 14 habe ich schon die ganze Heuernte alleine gemacht. Nach seiner Ausbildung zum KFZ-Mechaniker hat sich Keno für ein paar Monate freiwillig bei der Bundeswehr absolviert, aber seiner Landwirtschaft ist er immer treu geblieben. So ging das immer weiter, jetzt mache ich das schon über 20 Jahre.“

ostfriesisch-afrikanischer Treckerfahrer

Damit wir uns richtig verstehen: Keno ist kein Landwirt, oh nein! „Ich habe keine Ahnung von Tieren und so, aber viele denken das, wenn ich auf dem Trecker sitze.“ Er ist vielmehr Fachkraft für Agrarservice – ein Job, den es seit ein paar Jahren auch als Ausbildungsberuf gibt. Zusammen mit seinen Kollegen fährt er für die Landwirte in Friesland die Gülle aus, erntet Mais und dergleichen: „Wir machen eben die Außenwirtschaft für die Landwirte, denn wir haben die Erfahrung und die Gerätschaften; und die sind so teuer, das lohnt sich für Landwirte nicht, alles selbst anzuschaffen.“

Als er im letzten Jahr also wieder bei der Maisernte war, ist er mit seinem 360 PS Trecker steckengeblieben, weil es so viel geregnet hatte. Aus Langeweile hat Keno ein Video gedreht und sich auf Plattdeutsch darüber aufgeregt, dass sein Schlepper im Klei steckt. Auf Youtube ging der Film durch die Decke. „Der Clip ist nur 59 Sekunden lang, aber er hat mein ganzes Leben verändert“, lacht Keno. Wen wundert’s: Ein schwarzer Ostfriese, der Trecker fährt und auch noch Platt spricht, das kommt im Netz zwangsläufig gut an: „Ich treffe mit dem Platt die Alten und gleichzeitig auch die Jungen, die sonst sagten, Platt ist voll blöd, und jetzt wollen die das auf einmal auch sprechen.“

tolle typen an der Nordseeküste

Kenos Fanpage auf Facebook – „De Schatten Ostfees Jung“ – hat inzwischen mehr als 71.000 Likes, das erste Youtube-Video wurde bereits über 153.000 Mal aufgerufen. Jetzt ist Keno also eine Berühmtheit: „Durch das Video hat sich schon einiges verändert; zum Beispiel, dass die Leute Selfies mit einem machen wollen, wenn du einkaufen gehst.“ Und schon lacht er wieder.

Seinen Job als Lohner an den Nagel zu hängen, kommt für Keno mit den vielen, dicken Ketten um den Hals nicht in Frage: „Das ist pure Leidenschaft, mein Job macht mir einfach Spaß und man sieht am Ende des Tages, was man geschafft hat. Viele Leute fragen mich auch, warum ich immer so gut drauf bin. Ich mache einfach das, was ich will, wann ich will, wie ich will und mit wem ich will.“ Keno lebt nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip und wir fragen uns im Stillen, warum uns das nicht gelingt, zumal es bei Keno ja prima zu funktionieren scheint.

Andererseits war natürlich auch im Leben von Keno nicht immer alles rosa. Als er jünger war, war er mit 58 Kilo ziemlich dünn für einen Kerl und wurde immer rumgeschubst. Das wollte er ändern und hat angefangen mit Bodybuilding. Er schwört auf und trainiert bei Manny, der mit seinem Fitnesspark in Jever schon aus dem einen oder anderen schmalen Hemd einen richtigen Kerl gemacht hat. Dort trainiert Keno so oft er kann bis heute, wenn er nicht gerade auf einem Trecker sitzt, und wiegt inzwischen 130 Kilo. Bämm!

Wie gesagt, dieser Typ ist eine Wucht, aber er ist auch einer, der polarisiert: Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht. Natürlich war auch Rassismus immer ein Thema in seinem Leben. Er hält dann nicht still, im Gegenteil: „Ich muss mich dann äußern, denn es gibt nichts Schlimmeres, als nichts zu sagen und wegzugucken. Gerade auch mit der Reichweite, die ich jetzt habe, nutze ich das und es wäre für mich ein Unding, wenn ich mich nicht äußern würde.“

Weil der Magen brummt, gehen wir mit Keno jetzt erstmal was essen. Auch hier in einem der schönsten Restaurants in Jever kennt man ihn – essen bei Freunden nennt er das. Er bestellt Schnitzel, oder wie Keno so schön sagt: „Lass ma ein paar Schnitzel verhaften, die Muskeln brauchen ja Nahrung“. Jetzt wollen wir doch mal hören, was es mit dem Platt auf sich hat, das so gar nicht zu seiner äußeren Erscheinung passen will. „Englisch kann jeder, Platt nicht“, erklärt uns Keno. „Und Plattdeutsch ist eine Sprache, die gehört hierher. Wir Ostfriesen haben nun mal unser Plattdeutsch und das darf nicht aussterben. Ich finde Platt voll cool, diese Mischung aus du und Sie, und das ist auch das, was mich mit der Heimat verbindet.“ Auf unseren Wunsch schnackt er ein paar Sätze Platt, aber wir verstehen – leider – nur Bahnhof. Und dann kommt auch schon das Essen, ein Riesenschnitzel. Und was macht Keno? Er lacht, weil die Portion so schön groß ist.

Während Keno sein Schnitzel verhaftet, erzählt er uns von seinem neuesten Projekt. „Zebra Project – Dj’s on Fire“ – denn MC Keno ist nicht nur DJ, sondern gründete vor ein paar Wochen mit seinen Freunden Joshua und Hendrik eine Band. Mit „Hyena War“, seinem ersten Soundtrack, „Hard Trap“ vom Feinsten bleibt keine Kuh mehr ruhig auf der Weide stehen. Versprochen!

Später machen wir noch Fotos am Strand von Schillig im Wangerland, wo eine herrlich steife Brise weht. Keno strahlt über das ganze Gesicht. Diese Verbundenheit zur Heimat, die fühlt er in solchen Momenten ganz tief. Weil Keno nicht nur das Land liebt, das er ja in seinem Job hegt und pflegt, sondern auch die Menschen: „Andere brauchen Geld, um glücklich zu sein. Ich nicht, ich brauche Menschen!“ Und er hat diesen Traum: „Mein größter Wunsch ist es, unterwegs zu sein und meine Freunde zu besuchen, ich habe ja überall welche. Das wär’s! Vielleicht mache ich dieses Jahr auch noch eine Tour in den Libanon, mit dem Moped!

Bis dahin wird er arbeiten, an besagtem Moped schrauben, von viel PS und schnellen Autos träumen, im Fitnessstudio trainieren, fetten Sound machen und natürlich wieder Videos drehen, auf die Kenos Fangemeinde schon sehnsüchtig wartet. Ja, Keno Veith ist großartig: Er vereint selbstbestimmt und authentisch Lebensfreude und Heimatverbundenheit, und das auf wunderbar schräge Weise.

Hol di munter, du schwatten Ostfrees Jung!

Interview mit Keno Veith und Video auf Luv und Lü

Autorin: Sylke Sdunzig

Fotos: Tom Tautz