Rungholt, die sagenhafte Stadt
Foto: HousiBE/pixelio.de
Lange Zeit galt Rungholt als mythische Stadt und hat bis heute Menschen in ihren Bann gezogen, die nach Spuren ihrer Existenz suchen. Alljährlich treffen sich Interessierte zu den Nordstrander Rungholttagen. Manche bezeichnen Rungholt sogar als „Atlantis des Nordens“. Sie soll in einer Nacht während der Marcellusflut am 16. Januar 1362 untergegangen sein. Tausende Menschen starben.
Rungholt vor dem Untergang
Erst im 12. Jhdt. besiedelten die Friesen die weitgehend leere Moor- und Marschlandschaft an der Küste Nordfrieslands. Sie fanden salzhaltige Torfschichten unter dem Schlick und bauten ihn ab, um das damals sehr wertvolle Salz herauszusieden. Das brachte ihnen trotz der schwierigen Lebensbedingungen einen nicht unerheblichen Reichtum. Rungholt soll einer der Handelshäfen gewesen sein. Die Ansiedlung lag an der Küste und wuchs vermutlich zu einer Stadt mit ca. 1.500 Einwohnern heran.
Der Salztorfabbau hatte einen verhängnisvollen Nachteil. Das sowieso schon sehr flache Land geriet unter den Meeresspiegel. Die Menschen schützten sich vor den Fluten der Nordsee, indem sie ihre Häuser auf mit mehreren Lagen Grassoden befestigte Warften bauten. Auch für die Häuser selbst nutzen sie mangels Lehm ebenfalls Grassoden als Baumaterial. Ihre Äcker umgaben sie mit niedrigen Deichen. Das konnte die anstürmende Macht der See nicht verhindern, die in der schicksalhaften Marcellusflut große Teile der nordfriesischen Küste und ihre Bewohner zerstörte.
Spuren von Rungholt im Watt
Auf alten Karten zu Beginn des 17. Jhdts. ist Rungholt im Wasser südlich der Insel Alt-Nordstrand und nördlich von Südfall eingezeichnet. Nach der großen Sturmflut von 1634 musste die Landkarte wieder ganz neu gezeichnet werden. Alt-Nordstrand ertrank und zerfiel in kleine Teile: Pellworm und Nordstrand.
Hin und wieder fand jemand Siedlungsspuren im Watt, doch Rungholt galt als Stadt der Legenden, bis Andreas Busch 1921 in der Nähe der Hallig Südfall Teile einer alten Schleuse im Watt fand und barg. Er sammelte viele weitere Stücke und kartierte Ackerspuren, Deichabdrücke und die Lage der Warften und Brunnen im Watt. So konnte nach und nach die Besiedlung dieses Landstrichs nachvollzogen und die Existenz Rungholts nachgewiesen werden.
Wirbel entstand durch Funde des Ethnologen Duerr, der seit den 90iger Jahren Fundsachen aus dem Watt zwischen Pellworm und Nordstrand holte und die Lage Rungholts dort vermutet. Doch nicht nur die Lage, auch die Bedeutung und das Alter Rungholts definierte er neu. Nach seiner Theorie ist Rungholt schon mindestens 3.000 Jahre alt und hatte Handelsbeziehungen zu den Minoer, die von der griechischen Insel Kreta kamen, um Öle gegen Bernstein zu tauschen.
Fundstücke aus dem Watt sind im Landesmuseum von Schleswig-Holstein, dem Nissenhaus in Husum und dem Rungholtmuseum Pellworm aufbewahrt und ausgestellt. Etwa 100 Jahre lang hat Rungholt seine Spuren offenbart, doch nun findet kaum noch jemand etwas. Die Nordsee hat sie wieder mitgenommen oder unter Schlickschichten verborgen. So bleibt die wahre Geschichte Rungholts ein Geheimnis.
Legenden um die sagenhafte Stadt Rungholt
Die bekannteste Sage ist die des Pfarrers Anton Heimreich aus Nordstrand, der sie in seiner „Nordfriesischen Chronik“ 1666 schrieb:
Einige betrunkene Burschen heckten einen Streich aus, den sie dem Pfarrer von Rungholt spielen wollten. Sie machten eine Sau besoffen, legten sie in ein Bett und riefen den Pfarrer, dass er der Sau das letzte Abendmahl geben sollte. Der weigerte sich und machte sich davon. Zwei von den Burschen lauerten ihm aber auf und zwangen ihn, ihnen die Büchse mit den Hostien zu geben. Die füllten sie mit Bier und zwangen den Pfarrer daraus zu trinken.
Der Pfarrer beklagte sich in der Kirche bei Gott über das gotteslästerliche Verhalten und bat um Vergeltung. In der Nacht bekam er Nachricht, er solle das Land verlassen, was er tat. Dann erst erhob sich ein Sturm und das Wasser und zerstörte 7 Kirchspiele, darunter das reiche Rungholt.
Detlev von Liliencron schrieb 1882 sein berühmtes Gedicht „Trutz blanke Hans“, das von Rungholt und seinem Untergang sehr lyrisch erzählt. Dazu hatte ihn sein Aufenthalt als Landsvogt auf Pellworm angeregt.
Unbestimmten Alters sind weitere Mythen:
In bestimmten Nächten soll man die Glocke der Kirche hören können und alle 7 Jahre soll Rungholt in der Johannisnacht unversehrt wiederauftauchen.
Erst wenn ein Johanniskind zu Vollmond am Sonntag auf der Stelle der alten Stadt steht, dann wird Rungholt wiedererstehen.
Autorin: Martina Poggel
Weitere Informationen
Chronik der Sturmfluten
Der blanke Hans
boelling.de
westkuestenet.de