Geburtensaison der Seehunde
Die Sommerferienzeit ist auch die Geburtszeit der Seehunde. Im Mai, Juni kommen die Seehundbabys normalerweise zur Welt. Kurz darauf landen auch schon die ersten Heuler in den Seehundaufzuchtstationen. Heuler sind Seehundwelpen, die ihre Mutter verloren haben. Sie „heulen“, weil ihre Mütter sie an dem besonderen Klang ihrer Stimme wiedererkennen. Doch manche „heulen“ vergeblich, die Mutter hat sie unwiederbringlich verloren. Nur dann kommen die Neugeborenen in die Seehundstationen, werden dort untersucht und aufgepäppelt bis sie in der Lage sind, sich selbst zu versorgen.
Jedes Jahr appellieren die Seehundstationen an die zahlreichen Touristen Rücksicht zu nehmen, denn Gründe für die folgenreiche Trennung zwischen Müttern und Jungen können außer Sturmfluten und Zwillingsgeburten auch menschliche Störfaktoren sein. Das heißt:
- Sandbänke möglichst nicht betreten,
- Abstand zu den Seehunden halten und
- auf keinen Fall ein einsames Jungtier anfassen, weil die Mutter sonst ihr Junges nicht mehr am Geruch erkennen kann und es nicht nicht mehr annimmt.
Sowohl die Geburt als auch das Säugen der Jungen können nur während der Ebbe stattfinden, in der die Sandbänke trockenfallen. Die Mütter haben nur diese kurze Zeitspanne, um ihr Baby zur Welt zu bringen. Deshalb sind sie optimal an diese besondere Situation angepasst. Wenn sich die Geburt ankündigt, ziehen sich die Seehundweibchen auf geschützte sogenannte Mütterbänke zurück,und sind in der Lage den Geburtstermin herauszuzögern. Die Jungen kommen mit einer Sturzgeburt auf die Welt. Das Embryonalfell haben sie schon im Mutterleib abgelegt und tragen schon ein wasserabweisendes Fell, mit dem sie auch sofort schwimmen können.
In den nächsten Wochen werden die Kleinen bei jeder Ebbe bis zu dreimal gesäugt, damit sie schnell ein Fettpolster anlegen, denn schon naht die Trennung von der Mutter: die Paarungszeit beginnt. Die jungen Seehunde müssen noch lernen, selbst zu jagen, was verständlicherweise zu Anfang noch oft misslingt. In dieser Zeit zehren sie von ihren Reserven. Sechzig Prozent der Seehundwelpen erleben ihr erstes Lebensjahr nicht.
Zur Paarung fordern die Männchen mit gluckernden Geräuschen, dem „Bullern“ auf. Sind die Rivalenkämpfe gewonnen, paart sich das Männchen mit einem paarungsbereiten Weibchen im Wasser.
Erwachsene Seehunde können 1,50 Meter lang und 80 bis 100 kg schwer werden. Sie leben bis zu 40 Jahre überwiegend als Einzelgänger in der Nordsee und an den eisfreien Küsten des Nordatlantik und Nordpazifik. So plump sie sich nur mit ihren flossenartigen Vordergliedmaßen auf dem Land fortbewegen, so geschickt können sie schwimmen und tauchen. Im Wasser erreichen sie 35 Stundenkilometer, können bis zu 480 Meter tief tauchen und bis zu einer halben Stunde unter Wasser bleiben. Bei ihren 2- bis 3-tägigen Nahrungszügen jagen sie überwiegend kleine, bis 20 Zentimeter große Plattfische. Danach ruhen sie sich ausgiebig auf den Sandbänken aus.
Wissenschaftlich heißt der Seehund Phoca vitulina und gehört zur Familie der Hundsrobben. Er wird in der Roten Liste für bedrohte Arten als „gefährdet“ eingestuft. Deshalb ist der Seehund von der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild zum Tier des Jahres 2006 ausgewählt worden. Nach dem Bejagungsverbot 1974 hat sich der Bestand der Seehunde in der Nordsee zwar recht schnell erholt, aber die beiden Staupe-Epidemien von 1988 und 2002 waren von verheerenden Seehundsterben begleitet. Manche Quellen gehen von 15.000 toten Tieren pro Epidemie aus. Bis heute haben sich die Seehundpopulationen erstaunlich gut entwickelt: ca. 14.000 Tiere leben im Wattenmeer, ca. 19.000 in der gesamten Nordsee. Weltweit gibt es 500.000 Seehunde.
Autorin: Martina Poggel