, ,

Wattpostbote Knud Knudsen

wattwanderung nach süderoog mit wattpostbote

Das Watt liegt in der Sonne vor Pellworm, es ist zweieinhalb Stunden vor Niedrigwasser. Wattpostbote Knud Knudsen schultert seinen Rucksack mit dem Posthorn und geht den Deich hinunter. In der Ferne ist die Silhouette der Hallig Süderoog zu erkennen. Dort leben Nele Wree und Holger Spreer. Knud Knudsen geht zwei bis vier Mal pro Woche zu den beiden Halligleuten. Er bringt Ihnen im Auftrag der Deutschen Post Brief- und Paketsendungen: Knud Knudsen ist Wattpostbote. Wer mag und fit genug für die insgesamt knapp 14 Kilometer Strecke ist, kann ihn begleiten.

Es geht los, noch eilt das Wasser in den Prielen der Nordsee hinterher. Direkt vor Pellworm verläuft ein großer Priel, den die Gruppe knapp fünfhundert Meter vor der Küste queren muss. Bis zu den Oberschenkeln stehen manche Leute jetzt im Wasser. „Dies ist aber auch schon die tiefste Stelle auf der Tour – schließlich ist jetzt der höchste Wasserstand“, beruhigt der Wattpostbote die Teilnehmer. „Wir müssen jetzt loslaufen, damit wir mit Niedrigwasser – also in zweieinhalb Stunden – die Hallig wieder verlassen können. Damit sind wir auf der sicheren Seite. Rund anderthalb Stunden dauert eine Strecke“, erklärt Knudsen. Der Himmel spannt sich in makellosem, tiefem Blau über den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Wunderschönes Wattwanderwetter.

Knud Knudsen, 61, arbeitet hauptberuflich beim LKN als Wasserbauer auf Pellworm. Und dies hier ist sein Leben voller Leidenschaft: „Ich bringe seit 15 Jahren die Post auf die Hallig oder hole sie ab“, sagt der Wattpostbote als die Gruppe den ersten und tiefsten Priel problemlos gequert hat. „Als die Stelle frei wurde, habe ich nicht einen Augenblick gezögert, sie zu übernehmen. Solange ich das kann, mache ich das auch!“ Und vor allem sehr, sehr gern. „Die Touren laufe ich, wenn ich frei habe oder nach Feierabend.“ Nun peilt Knudsen – wohl der einzige Postbote, der mit einem Kompass arbeitet – die Marschroute. Die Hallig wird bis unmittelbar vor dem Ende des Hinweges immer zur Rechten den Weg weisen. „Direkt können wir nicht dorthin laufen – zu viel Schlick, zu viele Priele.“

Die Strecke ist auch nach mehr als tausendfünfhundert Touren für ihn im Wesentlichen dieselbe – und sie ist dennoch jeden Tag anders. „Das liebe ich am Watt, dieser einzigartigen Natur hier draußen: Du siehst nie das Gleiche. Jeder Tag ist mit seinen Licht- und Wolkenstimmungen anders. Mal gehe ich morgens, mal abends, sommers wie winters. Von den Eindrücken her ist keine Tour wie die andere.“ Er liebt den Wind und er liebt die Weite. Auch die Vogelwelt ändere sich mit den Jahreszeiten, erklärt er.

Vom Frühjahr bis in den Oktober nimmt er gern Gäste mit, im Winter geht er oft allein. „Ich bin gern allein unterwegs, ich gehe aber genauso gern mit Gästen!“ Vor allem, wenn er sie mit seiner stillen, zurückhaltenden Art von den Schönheiten des Nordfriesischen Wattenmeeres, der Natur hier draußen, begeistern kann. Wohlgemerkt: Das ist keine klassische Wattwanderung mit Würmerausgraben und Erklärung der „Small Five“. Doch wer Knud Knudsen was fragt, wird eine Antwort bekommen.

Ob er den langen Weg auch für einen einzigen Brief gehen würde? „Natürlich!“ Die Post, übrigens, hat einen Versorgungsauftrag. Egal, wo die Leute leben, egal, wie entlegen es ist: Briefe und Pakete müssen zugestellt werden. Flächendeckend und zum selben Preis hat jeder Haushalt ein Recht auf Zustellung. Am Tag nach der Einlieferung ist eine Zustellung auf Süderoog natürlich nicht möglich. Zu Fuß zur Hallig zu gehen, ist selbstverständlich vom Wetter abhängig. Bei Sturmflut oder Gewitter kann Knud Knudsen nicht gehen, viel zu gefährlich. „Ich versuche es dann so einzurichten, dass ich trotzdem zwei Mal pro Woche zustellen oder abholen kann.“ Schließlich warten die beiden Halligbewohner auf ihre Post oder müssen Dokumente abschicken und Fristen einhalten – so wie jeder andere Bürger auch.

Und nicht nur die Post wird zustellt. „Wenn Nele oder Holger eine Kleinigkeit oder etwas Frisches brauchen, bringe ich das natürlich mit – Obst, Milch, Butter, solche Sachen. Ich laufe auch schon mal mit 15 Kilogramm auf dem Rücken!“ Ist das Gut zu schwer oder zu sperrig, muss einer der beiden Halligbewohner eben mit dem Boot bei Gelegenheit selbst rüber nach Pellworm. Oder sie rufen Knudsen an, der dann das Päckchen auspackt und das mitnimmt, was den Beiden besonders wichtig ist. Über den Zustellstützpunkt in Husum gehen die Sendungen für Süderoog per Schiff nach Pellworm. Als es auf der Insel noch ein eigenes Postamt gab, hat der Wattpostbote sie dort abgeholt; heute wird ihm die Post für die Hallig zu sich nach Hause zugestellt.

Es geht nun über festes Sandwatt, Muschelfelder sind auf den erhöhten Sandbänken zu erkennen, Knudsen führt die Gruppe daran vorbei. Man kann drüber laufen, aber schön ist das nicht, besonders für diejenigen, die keine Neoprensocken oder Ähnliches anhaben. Ihn selbst stört das kaum noch, er läuft barfuss und das bis in den November hinein. „Aber dass ich die Muscheln gar nicht mehr merke, stimmt nicht, natürlich schneide ich mich auch mal, nur mit der Zeit bin ich halt nicht mehr so empfindlich.“ Der beständige Wind zerzaust die wilde Mähne des Wattpostboten, als er das Gesicht dreht und mit dem Kompass die neue Richtung peilt. Nun führt der Weg auf 215 Grad näher an die Hallig heran. Wieder werden Priele gequert, kaum höher als bis zu den Waden reicht das Wasser – es läuft immer noch der Nordsee hinterher.

Im sanften Licht des späten Nachmittages leuchten die Sandbänke fast golden wie aus dem Reiseprospekt, das Wasser in sattem Blau, sogar türkis – Meereswelten wie aus dem Bilderbuch. Die Gruppe ist eine gute Stunde unterwegs und längst liegt die Hallig deutlich zu erkennen auf der rechten Seite, doch Knudsen führt beständig daran vorbei weiter nach Südwest. „Längs der Hallig verläuft ein dicker Priel, der ist ziemlich verschlickt und auf direkten Zugang nach Süderoog kaum zu queren“, erklärt der Wattpostbote. Dieser Priel ist mit seltsamen dünnen Stämmchen markiert – das war schon von Weitem zu erkennen. „Das sind Pricken“, sagt Knudsen, „sie markieren einen Schifffahrtsweg – dieser Priel führt zum kleinen Anleger der Hallig.“ In knapp acht Stunden werden hier wieder drei Meter Wasser stehen.

Je näher die Gruppe der Hallig kommt, desto tiefer wird der Schlick, die Schritte schmatzen. Der Meeresboden erscheint rückwärtig beinahe hügelig, zum Anleger schaut man beinahe auf. Vor dem kleinen Pier liegt das Boot auf der Seite, ein paar Schritte noch und die Steinschüttung ist erreicht. „Willkommen auf der Hallig Süderoog“, sagt der Wattpostbote. Eine Fahne knattert im Wind, ein Traktor steht am Weg, Knudsen öffnet ein Tor. Hinter dem Gatter stehen die ersten Schafe. Bald ist die Warft erreicht. Darauf steht umgeben von Blumen und Büschen ein wunderschönes Reetdachhaus. Gänse schnattern, eine Pute läuft durchs Gatter, Hühner gackern – das hier ist auch ein Bauernhof.

Ein ganz Besonderer sogar und mit besonderen Tieren: Seit Nele Wree und Holger Spreer diese Stelle übernommen haben, kümmern sie sich um den Erhalt bedrohter Haustierrassen – ein „Arche-Hof“ mitten in der Wasserwelt des Wattenmeeres. Hauptberuflich sind die beiden beim Landesbetrieb für Küstenschutz angestellt und halten Hallig wie Reetdachhaus in Schuss. Sie sind Küsten- ebenso wie Tierschützer, denn auch der Vogelschutz gehört zu ihren Aufgaben. Und – darauf freuen sich die Teilnehmer der Tour – die Versorgung der Wattwanderer: heute eine Kartoffelsuppe und selbstgemachte Minz-Limetten-Limonade. Der Wattpostbote und die Halligbewohner klönen, Zeit für eine Tasse Kaffee und wenigsten einen kurzen Schnack ist immer. Ganz nebensächlich packt er seinen Rucksack aus, die Beiden suchen ein paar Unterlagen zusammen, tüten sie ein, Adress-Aufkleber drauf.

Danach, es ist heute noch Zeit dafür, zeigt Holger Spreer den wunderschönen Hof. Man mag so gern dableiben und wenigstens einmal übernachten, aber das geht nicht. Nur Knud Knudsen musste einmal hierbleiben: „Obwohl alles im Zeitplan lag, bin ich auf dem Rückweg von einem ungewöhnlich hohen Wasserstand überrascht worden – keine Chance dadurch zu kommen. Ganz selten kann es solche ungewöhnlichen Wetterlagen gaben, dann bin ich eben zurückgegangen.“ Heute ist – wie sonst auch – alles gut. Die Sonne steht tief und taucht alles in ein goldenes, sanftes Licht. Die Gruppe macht sich fertig und Knud Knudsen packt das Päckchen ein, schließt das Gatter, winkt zum Abschied, tritt ins Watt, quert den ersten Priel, peilt Pellworm – und ab die Post!

Quelle: Nordsee-Tourismus-Service

Foto: Kur- und Tourismusservice Pellworm